Bundesliga Playoffs Halbfinale / ASV Schorndorf steht Kopf und schlägt den Titelverteidiger SVW Burghausen mit 15:8

Bericht: Johann Kern / Foto: Günter Schmid / Ohne Kampfrichter kein Ringen – v.l. Thomas Hausmann, Mario Schmidt, Claudio Bibbo

Diesen emotionalen Samstagabend im Januar 2023 wird keiner der Zuschauer in der ausverkauften Schorndorfer Sporthalle Grauhalde so schnell vergessen. In einem epischen Hinkampf des Playoff-Halbfinales besiegte der ASV Schorndorf den Serienmeister der Ringer Bundesliga SV Wacker Burghausen mit 15:8 (6:5) und hat damit die Tür zum Finale weit aufgestoßen. Zwar nahm ASV-Coach Sedat Sevsay das „F-Wort“ nicht direkt in den Mund, sprach jedoch von einer „mega guten Ausgangsposition“, die sich sein Team an diesem „Abend für die Geschichtsbücher“ geschaffen hat.

Dabei hatte das erste Halbfinale für die Hausherren alles andere als gut begonnen. Engin Cetin war auf einem guten Weg, das Duell gegen Givi Davidovi nach Hause zu bringen, als dieser zwei Sekunden vor dem Schlussgong mit einer Zweier-Wertung den Kampf doch noch für sich entschied.

Deutliche Siege feierten dagegen Jello Krahmer beim 9:0 gegen den über 30 Kilogramm leichteren Ramsin Azizsir. Der Schachzug des Trainergespanns Sevsay und Sänger – Razvan Arnaut abtrainieren zu lassen gegen Fabian Schmitt ging voll auf, er holte beim 8:0 Punktsieg drei wichtige Mannschaftspunkte.

Einen Kampf auf Biegen und Brechen lieferten sich im Anschluss Ertugrul Agca und Erik Thiele. Obwohl er sich nach einer Minute an der Schulter verletzte, landete Agca immer wieder blitzschnelle Beinangriffe und erkämpfte sich auf diesem Weg eine 5:0-Führung. Dennoch fehlten ihm am Ende neun Sekunden zum Sieg, punktete Thiele in der Schlussphase doch zweimal doppelt und holte beim 5:5 am Ende aufgrund der letzten Wertung einen Mannschaftspunkt für den SV Wacker.

Nachdem Georgi Vangelow gegen den amtierenden Europameister Iszmail Muszukajev deutlich mit 0:11 unterlag, führte der ASV zur Halbzeit nur noch knapp mit 6:5. Nico Brunner zog nach der Pause gegen Roland Schwarz mit 1:6 den Kürzeren, wodurch die Gäste zum zweiten Mal an diesem Abend in Führung gingen. Doch dies sollte sich schnell wieder ändern.

Ruslan Kudrynets erkämpfte sich gegen Witalis Lazovski in den ersten drei Minuten eine 3:0-Führung mit seinem Ausheber und brachte mit einer bärenstarken Leistung einen 3:1-Sieg ins Ziel, mit dem der ASV zum 7:7 ausglich. Einen entscheidenden Schritt für den Erfolg im Halbfinal-Hinkampf machte das Team dann durch den vorzeitigen Technischen Überlegenheit Sieg von Benjamin Sezgin gegen Jakob Rottenaicher.

Nun folgten in den beiden 75kg-Klassen nochmal zwei Schlüsselkämpfe. Hier lieferte sich erst Shamil Ustaev beim 8:9 gegen Ali-Pasha Umarpashaev ein hitziges Freistil Duell, ehe Schlussringer Iuri Lomadze im griechisch-römischen Stil die Halle mit einem Überlegenheitssieg gegen den Ex-Schorndorfer Idris Ibaev zum Beben brachte.

„Ich bin jetzt seit 22 Jahren beim ASV, eine solche gigantische Stimmung wie heute habe ich aber noch nie erlebt“, sprudelte es aus Sedat Sevsay heraus. „Dass Iuri den amtierenden U23-Weltmeister so von der Matte fegt, damit hätte nicht mal er selbst gerechnet.“ Mit jeweils fünf Siegringern waren beide Teams erfolgreich, aber der ASV hatte mit den 4 Mannschaftspunkten von Sezgin und Lomadze die Nase vorn.

Dass der ASV Schorndorf am Ende so deutlich triumphieren konnte, hatten sich die Gäste aber zum Teil selbst zuzuschreiben. Vor allem nach der Halbzeit waren dort die Nerven blank gelegen und der Titelverteidiger verzettelte sich unnötigerweise in Nebenkriegsschauplätzen. Ganze vier Mal hatten die beiden Coaches Eugen Ponomarchuk und Matthias Maasch bei scheinbar strittigen Entscheidungen die Video-Challenge gefordert – jedes Mal ohne Erfolg, was dem ASV jeweils einen extra Punkt bescherte. Der unrühmliche Höhepunkt spielte sich dann beim Duell Ustaev gegen Umerpashaev ab. Kaum hatte er erneut Protest gegen eine Wertung des Kampfrichters eingelegt, rannte Maasch quer über die Matte zur Sitzplatz-Tribüne, um sich dort mit Schorndorfer Fans ein Wortgefecht zu liefern, aus dem sich eine handfeste und lautstarke Rangelei entwickelte, die vom Ordnungsdienst beendet werden musste. Maasch wurde von Kampfrichter Mario Schmidt mit einer roten Karte bedacht.

„Natürlich kochen in einem solchen Kampf die Emotionen hoch, aber diese Aktion war schon sehr unglücklich“, sagte Sedat Sevsay, der inmitten der Rangelei zu schlichten versuchte. „Ich kenne Matthias Maasch als einen ruhigen, angenehmen Gesellen, der für mich der beste Sportliche Leiter der Bundesliga ist. Dass er sich so von den Zuschauern provozieren lässt, darf ihm natürlich nicht passieren. Aber das weiß er selbst.“

Das Team des ASV Schorndorf ließ sich nach dem überraschend deutlichen 15:8-Sieg noch lange von seinen Fans ausgelassen feiern. „Das haben sie sich verdient. Heute sollen sie den Erfolg genießen. Morgen beginnt dann aber bereits die Vorbereitung auf den Rückkampf“, so Sevsay, der auf die Euphoriebremse zu treten versuchte: „Wir haben eine gute Grundlage gelegt, die eine gewisse Sicherheit gibt. Aber das Ding ist noch lange nicht in trockenen Tüchern. Erst wenn in Addition alle 20 Kämpfe gerungen sind und wir dann noch einen Punkt mehr als Burghausen haben, können wir richtig feiern.“

Der Rückkampf findet am kommenden Samstag um 19.30 Uhr in Burghausen statt.

Im gleichzeitig stattgefundenen zweiten Halbfinale legte der ASV Mainz 88 einen 17:14-Sieg gegen den SC Kleinostheim vor.

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